Astrologische Pioniere in
Deutschland im 20. Jahrhundert
Claudia von Schierstedt
erschienen im Meridian 5/1996
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Seit dem Zeitalter der Aufklärung war die Astrologie in
Mitteleuropa fast ganz in Vergessenheit geraten. In England war
zwar mit Alan Leo und der theosophischen Bewegung bereits im
letzten Viertel des 19. Jahrhunderts die Astrologie
wiederauferstanden, doch in Deutschland gab es keine Astrologen
und keine Lehrwerke für Interessierte. Die für Astrologen
damals so wichtigen Ephemeriden und Häusertabellen mußten aus
dem Ausland beschafft oder mühsam selbst berechnet werden.
Karl Brandler-Pracht wurde am 11.
Februar 1864 um 5 Uhr 21 in Wien geboren, wo er auch aufwuchs.
Seine Eltern stammten aus Böhmen und stellten sich ihren Sohn
als zukünftigen Schullehrer oder Kaufmann vor. Doch Karl zog es
viel mehr zu künstlerischen Dingen, Literatur und
Schauspielerei. Nachdem er heimlich Schauspielunterricht genommen
hatte, konnte er bald die ersten Erfolge auf der Bühne
verbuchen. Seine Schauspiel-Karriere setzte er mit einer Tournee
durch die USA fort. Auf dieser Tournee heiratete er 1895 in New
York Eleonore Balawelder, die später als Astrologin Elli
Brandler-Pracht bekannt wurde. Wieder in Deutschland zurück trat
er an vielen deutschsprachigen Häusern auf, und beendete nach 12
Jahren mit seinem letzten Engagement am Stadttheater in Basel
seinen Schauspielberuf.
Schon in den letzten Jahren seiner Schauspielzeit
beschäftigte sich Karl Brandler-Pracht intensiv mit
verschiedenen Geisteswissenschaften, und kam durch ein Werk des
mittelalterlichen Astrologen Antonius de Montulmo mit der
Astrologie näher in Berührung. In Basel verkehrte er in einem
spiritistischen Zirkel, in dem ihm ein Medium offenbarte, seine
Lebensaufgabe würde in der Wiederbelebung und Erneuerung der
Astrologie liegen.
1905 veröffentlichte er sein erstes astrologisches Lehrwerk,
das 'Mathematisch-instruktive Lehrbuch der Astrologie' in
Leipzig. In den folgenden Jahren gründete er unermüdlich in
einigen Städten astrologische Forschungsgruppen und Vereine
(1908 Gründung der 'Ersten astrologischen Gesellschaft Wien',
1913 Gründung der 'Astrologischen Gesellschaft Berlin', 1914 in
St. Gallen und Zürich, München, Leipzig, Hamburg,1920
Mitbegründung der 'Astrologischen Gesellschaft e.V.' in Berlin),
hielt zahlreiche Vorträge, gründete Zeitschriften (1906 das
'Zentralblatt für Okkultismus', 1909 'Prana', 1910 die
'Astrologische Rundschau' und die 'Hohe Warte', 1914 'Psyche' und
die ausgezeichnete Zeitschrift der 'Astrologischen Blätter').
1910 initiierte er die hervorragende Buchreihe 'Astrologische
Bibliothek'.
Unermüdlich arbeitete Karl Brandler-Pracht für die
Verbreitung der Astrologie. So wie er als Schauspieler auf
Tournee war, so war er nun für die Astrologie unterwegs. Er
hielt sich in Hamburg, London und Berlin auf, wo am 13.12.1914
seine Frau und Mitarbeiterin Elli starb. Elli Brandler-Pracht
übersetzte für die ersten Zeitschriftenausgaben der
'Astrologischen Rundschau' mehrere Artikel aus dem Englischen,
u.a. 'Die 100 Regeln des Ptolemäus'.
Während des ersten Weltkrieges lebte er in der Schweiz; nach
Kriegsende 1918 kehrte er wieder nach Berlin zurück, wo er sein
großes 6-bändiges Basislehrwerk 'Astrologische Kollektion zum
Selbststudium' herausgab. Dieses Werk erreichte eine unglaubliche
Gesamtauflage von insgesamt 165000. Weitere Stationen waren
München, Wien und Salzburg, wo er nach 12-jähriger Ehe seine
zweite Frau verlor. Danach ging er nach Frankfurt und Mainz.
Karl Brandler-Pracht schrieb nicht nur astrologische
Lehrbücher, sondern zahllose Artikelserien und Einzelartikel
für alle deutschsprachigen astrologischen Zeitschriften. Er
schrieb auch ein astrologisches Trauerspiel, das Drama 'Der
Famulus', das nach der Uraufführung hervorragende Kritiken
bekam.
Er lehrte in Vorträgen und Kursen und die Liste seiner
Schüler liest sich wie das Who is who der deutschen
Astrologenelite dieser Zeit. Zu seinen Schülern zählten u.a.
der Verleger und Herausgeber des 'Spiegel', Hermann Bauer, der
Psychoanalytiker Johannes Dressler, Wilhelm Knappich, Arnold
Grohn, der Verleger vieler astrologischer Werke Hugo Vollrath,
Alfred Witte, Arthur Grobe-Wutischky, Elsbeth Ebertin, Bert van
Solden, Erich Wiesel.
Karl Brandler-Pracht machte die Astrologie in Deutschland
bekannt und gesellschaftsfähig. Er legte den Grundstein für die
bis heute andauernde astrologische Bewegung im deutschsprachigen
Raum. Seine astrologischen Werke sind von der Absicht geprägt,
überlieferte Techniken und Deutungsregeln zusammenzustellen und
damit dem Astrologen Basis-Werkzeuge an die Hand zu geben.
Brandler-Pracht trug zu verschiedenen astrologischen Teilgebieten
immer wieder unterschiedliche traditionelle Techniken zusammen
und ließ dem Leser die Freiheit, sich über die verschiedenen
Methoden einen Überblick zu verschaffen (z.B. in seiner
Artikelserie über die Geburtszeitkorrektur in der Astrologischen
Rundschau 2.Jhg.). Er beschäftigte sich intensiv mit
Mundan-Astrologie, besprach Horoskope von Monarchen, deutete den
Untergang der Titanic und verfasste Jahresprognosen für
Deutschland. Er setzte sich auch intensiv mit astrologischem
Pfuschertum auseinander und kämpfte gegen die Praxis der
Jahrmarktshoroskope.
Karl Brandler-Pracht starb am 10. September 1939 in Berlin in
den späten Nachmittagsstunden im Alter von 75 Jahren. Karl
Brandler-Pracht hatte eine Tochter Maritha, die später den
Astrologen Bruno Noah heiratete, und das astrologische Erbe ihres
Vaters fortführte.
Quellen:
Dr. Cl.-Dierst, Zum 70. Geburtstag Karl Brandler-Prachts,
Zenit 5.Jhg. 1934, Heft 2
Johannes Dressler, Nachruf auf Karl Brandler-Pracht,
Mensch im All 12.Jhg. 1939-40, Heft 2
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